Ab 2020

Pandemiejahre und Neustart

«Die Ausbreitung der weltweiten Pandemie hat den Schweizer Tourismus im Jahr 2020 an die Grenzen der Belastung und der wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit gebracht. Die massiven Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit von Reisenden, die geschlossenen Restaurants und Wellnessanlagen, treffen auch die Schweizer Jugendherbergen wirtschaftlich hart.»[1]

Ausnahmezustand für Tourismus

Das Jahr 2022 brachte den Schweizer*innen die persönliche Bewegungsfreiheit zurück und den Schweizer Jugendherbergen die erforderliche Stabilität. Der Neustart nach schwierigen Pandemiejahren ist geglückt.

Am 27. Februar 2020 titelte die NZZ «Der Engadin-Skimarathon findet nicht statt, doch die Touristiker glauben, dass trotzdem viele Langläufer anreisen». Schuld an der Absage hatte die rasante Ausbreitung des Coronavirus. Bereits am 28. Februar 2020 stufte der Bundesrat die Situation in der Schweiz als «besondere Lage» ein. Am 13. März 2020 wurden die Skigebiete geschlossen. Die Gäste reisten mehrheitlich aus den alpinen Tourismusdestinationen ab. Es folgten mehrere Monate mit laufend sich verändernden Massnahmen zur Einschränkung der Ausbreitung der Pandemie. Während des Lockdowns beherbergten die Jugendherbergen insbesondere gestrandete Geschäftsleute und Handwerker, Menschen in besonderen Lebenssituationen sowie Militär und weitere Personen, welche die medizinischen Institutionen während der Pandemie unterstützten. Die Massnahmen des Bundes und der Kantone zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen waren sehr hilfreich. Dennoch resultierte für die Schweizer Jugendherbergen in den zwei Pandemiejahren ein historisches Defizit und der vollständige Kapitalverlust.

2022 wurden die Massnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung der Pandemie nach und nach gelockert und aufgehoben. Es herrschte Erleichterung und Aufbruchstimmung. Diese hielt jedoch nur kurze Zeit an. Mit Fassungslosigkeit und Bestürzung beobachtete die Schweiz den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Aufgrund der sich abzeichnenden Flüchtlingsströme haben die Schweizer Jugendherbergen entschieden, ankommende Flüchtlinge unkompliziert aufzunehmen und ihnen eine kurzfristige Unterkunftsmöglichkeit zu bieten, bis sie die notwendigen Behördengänge und die Registrierung abwickeln konnten. Im darauffolgenden Winter wurden einige Jugendherbergen während der Schliesszeit den Kantonen als Flüchtlingsunterkünfte zur Verfügung gestellt.

 

 

Jugendherberge Schloss Burgdorf (2020)

Bild: Dyle Berger, Burgdorf, silenceissecret.com

Jugendherberge Bern (2022)

Bild: André Meier, Schweiz Tourismus

Neustart
«Schweizer Tourismus verzeichnet Rekordjahr», titelte das Gastro Journal am 22. Februar 2024[2]. Mit 42 Millionen Logiernächten war der Schweizer Tourismus im Jahr 2023 so erfolgreich wie noch nie. Mit einer so schnellen Erholung nach den Pandemiejahren hatte man nicht gerechnet. Die Logiernächte des Jahres 2023 liegen gar 5.6% über dem bisherigen Rekordjahr 2019, welches gleichzeitig das Jahr vor dem Ausbruch der Pandemie war.

«Tourismus darf es nicht nur für Vermögende geben», sagt die seit 2019 amtierende CEO der Schweizer Jugendherbergen; Janine Bunte, gegenüber dem Blick im Jahr 2023. [3] Innerhalb der Jugendherbergsbewegung ging es schon immer um gemeinschaftliche Erlebnisse, verantwortungsbewusster Umgang mit Ressourcen, Menschen und fremde Kulturen kennen lernen, Freundschaften knüpfen, einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung nachgehen und Lebensfreude teilen.

Die Bedürfnisse der Menschen haben sich in den letzten 100 Jahren gewandelt. Die Schweizer Jugendherbergen auch. Der Organisation ist es meisterhaft gelungen, sich immer wieder den aktuellen Bedürfnissen der Gesellschaft und den aktuellen Rahmenbedingungen anzupassen, ohne jedoch den Kern der zivilgesellschaftlichen Ziele aus den Augen zu verlieren: Die Schweizer Jugendherbergen ermöglichen damals wie heute, zusammen mit den Mitgliedern von Hostelling International, Menschen mit kleinem Budget den Zugang zu erschwinglichen Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeiten weltweit. Dadurch fördern sie - insbesondere auch für junge Menschen, Schulklassen, Familien und Menschen mit Behinderungen Begegnungen - gemeinsame Aktivitäten und Erlebnisse ausserhalb des gewohnten Umfeldes über die Landesgrenzen hinweg. Diese tragen zu einer solidarischen, verantwortungsbewussten und lebensfrohen Gesellschaft bei.

 

 

Jugendherberge Zug (2023)

Bild: SJH-Archiv

Jugendherberge Basel (2023)

Bild: SJH-Archiv

[1] Zit. aus dem Geschäftsbericht 2020 der Schweizer Jugendherbergen

[2] Vgl. Gastro Journal vom 22. Februar 2024

[3] Vgl. Interview im «Blick», publiziert am 28.10.2023

100 Jahre Schweizer Jugendherbergen

  • 1900 bis 1924: Vorgeschichte

    Freizeit und Geld haben viele Jugendliche kurz nach der Wende zum 19. Jahrhundert kaum. Gemeinschaftliches Wandern, Singen und Tanzen in der freien Natur bieten eine günstige Unterhaltungsmöglichkeit, unabhängig des Daseins von Erwachsenen.

  • 1924 bis 1932: Gründungsjahre

    Nach dem Ersten Weltkrieg begeistert sich die Jugend zunehmend für das Wandern unter ihresgleichen. Eltern und Lehrerschaft sind besorgt: Zerreissen die Familienbande, geht die Autorität verloren, lässt der Arbeitswille nach?

  • 1930 bis 1938: Wirtschaftskrise, geistige Landesverteidigung, Faschismus

    Die 1930er-Jahre sind geprägt von Arbeitslosigkeit, Angst vor einem Krieg und der geistigen Landesverteidigung. Trotzdem erweitern die Jugendherbergen ihr Netz und trotzen der wirtschaftlichen Realität, manchmal mit viel Glück, manchmal mit Wagemut.

  • 1939 bis 1947: Kriegszeit und Wiederaufbau

    Mit dem Kriegsausbruch im Sommer 1938 bricht bei den Jugendherbergen der Besucheransturm zusammen. Anstatt junge Gäste aus dem Ausland schlafen nun Soldaten im Aktivdienst in den Massenschlägen.

  • 1947 bis 1959: Erholung und Professionalisierung

    Nach dem Krieg erholt sich die Welt langsam wieder und der internationale Austausch wird erneut aufgenommen. Nach dem grossen Wachstum bis 1938 nimmt die Zahl der Jugendherbergen stetig ab.

  • 1960 bis 1970: Aufbruch der Jugend

    Die Sechzigerjahre sind geprägt vom wirtschaftlichen Aufschwung und mehr Freiheit suchender Jugendlicher. Die Jugendherbergen sehen sich erstmals einem Konkurrenzdruck ausgesetzt.

  • 1970 bis 1980: Backpacker*innen entdecken die Schweiz

    Nun können sich auch Junge Fernreisen leisten, alles wird günstiger, fast alle haben genügend Arbeit: Die Welt scheint allen offen zu stehen, vor allem den US-Boys und Canadian Girls.

  • 1980 bis 1990: Erforschung des Jugendtourismus

    Auf der Suche nach Sponsoring treten Imagefragen in den Vordergrund. Gehen die Jugendherbergen noch mit der Zeit und was halten die potenziellen Gäste von ihnen?

  • 1990 bis 1999: Umstrukturierung und Neuausrichtung

    Die Schweizer Jugendherbergen müssen sich in der globalisierten Welt zurechtfinden und sind dem Wettbewerb und neu sensibilisierten Gästen aus aller Welt ausgesetzt. Finanziell wird es eng.

  • 2000 bis 2010: Neupositionierung und Imagekorrektur

    Wer kennt die Schweizer Jugendherbergen nicht? Kaum jemand. Jeder dritte Schweizer, jede dritte Schweizerin weiss, von wem die Rede ist, wenn sie auf die «Jugis» angesprochen werden. Sie sind ein nationales Symbol.

  • 2010 bis 2019: Strategische Nachhaltigkeit

    Ab dem Jahr 2010 ernten die Jugendherbergen Sonne vom Dach. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie der Schweizer Jugendherbergen werden ab dem zweiten Jahrzehnt der 2000er-Jahre zahlreiche Projekte im Bereich erneuerbare Energien umgesetzt.

  • Ab 2020: Pandemiejahre und Neustart

    2020 / 2021 bringt die COVID-19-Pandemie die internationale Reisetätigkeit fast vollständig zum Erliegen. Kontakt-, Schul- und Gruppenreiseverbote innerhalb der Schweiz bringen die Schweizer Jugendherbergen an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit.