2000 bis 2010
Neupositionierung und Imagekorrektur
«Jugendherbergen richten sich schon lange nicht mehr nur an junge Wanderer. Jüngst wurden die Häuser von Zürich und Zermatt umgebaut und erweitert. Ein umfassendes gestalterisches Leitbild gibt vor, in welche Richtung sich die Schweizer Jugendherbergen entwickeln sollen – ein Balanceakt zwischen Kajütenbett-Romantik und ökonomischer Konkurrenzfähigkeit.»[1]
«Die Schweizer Jugendherbergen. Die exklusivste Hotelkette der Welt.» Das Image zählt.
Das Jubiläum zum 75-jährigen Bestehen 1999 mit vielen Werbemassnahmen von PR-Aktionen für die Medien, Plakataushängen an den wichtigsten Schweizer Bahnhöfen, dem Sponsoring von Mountainbike-Rennen für den Nachwuchs bis hin zur SIGG-Jubiläumsbottle haben den Verein und sein Engagement spätestens dann in aller Munde gebracht.
Auch in der Architektur der Jugendherbergen lässt sich die Entwicklung der touristischen Ansprüche nachverfolgen. Die ursprünglich «naturnahen Unterkünfte mit Massenlagern» wandeln sich in den 2000er-Jahren zu Häusern mit einem Anteil an Privatzimmern in einem konkurrenzfähigen Standard, multifunktionalen Gemeinschaftsbereichen und professionalisierten Betriebsabläufen.[2]
Bereits 1997 haben die Jugendherbergen in Anlehnung an das Aktionsprogramm «Energie 2000» ein Konzept entwickelt, mittels dessen sie bis ins Jahr 2000 10 Prozent Energie sparen wollten. Der Mitte 1999 neu ernannte Geschäftsleiter der Schweizerischen Stiftung für Sozialtourismus, der Architekt René Dobler, treibt das Energiekonzept weiter voran. Ab 2009 beziehen die Schweizer Jugendherbergen 100 Prozent der elektrischen Energie aus erneuerbarer Wasserkraft. Ausserdem reduzieren sie bis zum Jahr 2022 den spezifischen CO2-Ausstoss für Raumwärme im Vergleich zum Jahr 2000 um zwei Drittel.
Das Klima spielt verrückt
2003 erfasst eine Hitzewelle den europäischen Kontinent. Nach dem Bundesfeiertag erreicht er in den folgenden zwei Wochen seinen Höhepunkt. Heute geht man davon aus, dass der «Hitzesommer» 975 Todesopfer forderte. Auch die Jugendherbergen machen sich Sorgen und rechnen damit, dass die Klimaveränderungen wirtschaftliche Folgen haben werden. Der Wintertourismus macht einen grossen Anteil an den Einnahmen aus den Übernachtungen aus. «Wir merken, dass die Schneesicherheit einer Destination immer entscheidender wird. Wenn wir neue Standorte suchen, achten wir vor allem darauf. Skigebiete im Voralpengebiet kommen schon fast nicht mehr in Frage», erzählt Hans-Urs Häfeli von der Schweizerischen Stiftung für Sozialtourismus dem Photovoltaik-Pionier Solarspar Anfang 2004. Das heisst, schon im eigenen Interesse alles zu tun, um die Treibhausgasemissionen möglichst gering zu halten, damit das Klima stabil bleibt.[3]
Ab dem Jahr 2008 bieten die Jugendherbergen die Möglichkeit an, beim Aufenthalt einen freiwilligen CO2-Kompensationsbeitrag zu leisten. Das Konzept des «Ecological Footprint» ist eine helvetisch-kanadische Erfindung, die einfach zu erklären versucht, wie hoch der Verbrauch natürlicher Ressourcen flächenmässig ist, der für die Produktion dieser Ressource notwendig wäre. Bis heute kompensieren jährlich rund 60 Prozent der Gäste ihren CO2-Fussabdruck. Weiterhin in Zusammenarbeit mit der Stiftung myclimate wird 2018 das Konzept durch den «Cause We Care» Klimaschutzbeitrag auf den ganzen Tourismus schweizweit ausgeweitet.
«Expo.02» – ein kollektives Spektakel nach einem weltverändernden Jahr
2001 wird die Schweiz von einem «Katastrophenherbst» erschüttert. Nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September kommt es auch national zu verheerenden Ereignissen: In Zug erschiesst ein Attentäter 14 Menschen im Kantonsparlament, am 2. Oktober erlebt die Schweiz das Swissair-Grounding und am 24. Oktober brennt es im Gotthardstrassentunnel. Das eidgenössische Selbstverständnis ist fundamental getroffen. Auftrieb gibt dem Land die Eröffnung der Landesausstellung «Expo 02», die vom 15. Mai bis 20. Oktober 2002 im Drei-Seen-Land an den Ufern der Städte Biel, Murten, Neuenburg und Yverdon-les-Bains gefeiert wird. Die Schweizer Jugendherbergen entwickeln innert sechs Wochen die Jugendherberge «expo.sleeper», 240 Betten zu erschwinglichen Preisen bieten sie beim «Arteplage» Neuenburg. In vier Original-Schlafwagen können Jugendliche und Familien, Gruppen und Einzelreisende in je 60 Liegen aufgeteilt in Sechserabteile auf Rädern nächtigen. Die Nachfrage ist hoch, denn die Preise von 30 Franken pro Bett bei Vergünstigungen bei der Gruppenbelegung von ganzen Abteilen sind fast konkurrenzlos. Den Jugendherbergen geht es wie vielen anderen während der Vorbereitungsphase der Expo. Projekt um Projekt wird verworfen – erst eine Umsetzung im Rahmen der Kernkompetenz kann mit Erfolg realisiert werden. Ein Bahnabenteuer mit modernen sanitären Einrichtungen und Frühstücksbuffet inbegriffen. Und da das Ganze wiederum nachhaltig ist, gibt es dafür das offizielle Expo.02-Ökolabel «Flying Fish».[4]
[1] Christina Sonderegger in Werk, Bauen + Wohnen, Band 91 (2004), Heft 10, S. 50.
[2] Vgl. Schweizer Jugendherbergen, Eine nachhaltige Architekturgeschichte, 2015, Vorwort, S. 3
[3] Zit. nach Solarspar-Zeitung Nr. 1, 2004, S. 3.
[4] Vgl. Medienmitteilungen 1, 2 und 3 der Schweizer Jugendherbergen, 2002
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