1980 bis 1990

Erforschung des Jugendtourismus

«Der Ruf der Schweizer Jugendherbergen im Ausland ist gut. (…) Hierzulande aber glaubt man immer noch die Mär von den leicht verstaubten, übergrossen, von kurz angebundenen Herbergseltern mehr schlecht als recht betreuten Heimen und Herbergen der Vorkriegsjahre. Strenge Sitten und Gebräuche möge zwar hie und da noch als Überbleibsel einer (allzu) idealistischen Wandervogelbewegung hängengeblieben sein, (…).»[1]

Wie bekannt sind die Schweizer Jugendherbergen in der Schweiz eigentlich?

Im Sommer 1980 versucht ein Marktforschungsinstitut herauszufinden, wie es um die Popularität und das Image der Schweizer Jugendherbergen in der Schweizer Bevölkerung steht. Anlass dazu ist das beabsichtigte Sponsoring durch «eine grosse Schweizer Versicherungsgesellschaft».

Fast 1000 Personen, exakt zur Hälfte Frauen und Männer, im Alter zwischen 15 und 74 Jahren, aus allen Landesteilen und Kaufkraftklassen, werden befragt. Um die 50 Prozent kennen die Jugendherbergen. «Die Hälfte aller Schweizer denken spontan an Jugendherbergen, wenn von preisgünstigen Wochenend- und Ferienunterkünften besonders für Jugendliche die Rede ist.»[2] 

Aber wie sieht es denn mit dem Image aus? «Sie sind gar nicht bünzlihaft, sie sind gar nicht unbequem», wird in den Antworten festgehalten.[3] Und eigentlich seien die Jugendherbergen auch mehr oder weniger sauber, meinen die Befragten. Die Hälfte von ihnen, darunter besonders die Älteren, findet die Idee gut, dass eine grosse Versicherung den Jugendherbergen «etwas mit Werbung helfen soll, bekannter und aktueller zu werden».[4]

 

 

Jugendherberge Davos (1990)

Bild: SJH-Archiv

Jugendherberge Davos (1990)

Bild: SJH-Archiv

Jugendherberge Davos (1990)

Bild: SJH-Archiv

Jugendherberge Davos (1990)

Bild: SJH-Archiv

Die Aussagen sind zwar vielversprechend, in den Mitgliederzahlen werden sie aber nicht abgebildet: Immer weniger junge Leute entscheiden sich für eine Mitgliedschaft. Entspricht ihnen der «Jugigedanke» noch? Befragungen bringen hervor, dass die restriktive Nachtruheregelung und die Geschlechtertrennung nicht mehr zeitgemäss sind. Es gibt aber durchaus auch die Meinung, dass an diesen Idealen festgehalten werden müsse. Befürworterinnen und Kritiker halten sich in etwa die Waage. In einzelnen Jugendherbergen wird es im Laufe der 1980er-Jahre aber möglich, dass Paare im selben Zimmer übernachten dürfen; die Trennung bei Familien ist schon überall aufgehoben worden.

Mit den Raumstrukturveränderungen wird ab 1983 auch die Frage wieder laut, ob die Jugendherbergen zur Hotellerie oder zur Parahotellerie gehören, also Unterkünfte mit beschränkten Leistungen wie Privatzimmer, Campingplätze oder Kollektivunterkünfte sind. Heute gehören die Jugendherbergen klar zu dieser zweiten Kategorie, auch wenn ihnen wegen den neuen Häusern wie in Saas Fee oder St. Moritz manchmal nachgesagt wird, sie würden Luxushotels betreiben. Mit Zimmern ohne Fernseher, Minibar, Zahnputzglas, Bademantel oder Einweglatschen. In der Tat keine Absteigen mehr, kaum noch Massenschläge – denn auch die Jugendherbergen haben sich gewandelt und der Zeit angepasst. Etwas haben sie sich bewahrt: Die sozialen Werte und den sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen.

 

 

Lenzerheide (1980)

Bild: SJH-Archiv

Jugendherberge Rotschuo (1989)

Bild: SJH-Archiv

[1] Isopublic, 1980, S. 7.

[2] Isopublic, 1980, S. 13.

[3] Isopublic, 1980, S. 13.

[4] NZZ, 6. Juni 1980, Nr. 93, S. 64

100 Jahre Schweizer Jugendherbergen

  • 1900 bis 1924: Vorgeschichte

    Freizeit und Geld haben viele Jugendliche kurz nach der Wende zum 19. Jahrhundert kaum. Gemeinschaftliches Wandern, Singen und Tanzen in der freien Natur bieten eine günstige Unterhaltungsmöglichkeit, unabhängig des Daseins von Erwachsenen.

  • 1924 bis 1932: Gründungsjahre

    Nach dem Ersten Weltkrieg begeistert sich die Jugend zunehmend für das Wandern unter ihresgleichen. Eltern und Lehrerschaft sind besorgt: Zerreissen die Familienbande, geht die Autorität verloren, lässt der Arbeitswille nach?

  • 1930 bis 1938: Wirtschaftskrise, geistige Landesverteidigung, Faschismus

    Die 1930er-Jahre sind geprägt von Arbeitslosigkeit, Angst vor einem Krieg und der geistigen Landesverteidigung. Trotzdem erweitern die Jugendherbergen ihr Netz und trotzen der wirtschaftlichen Realität, manchmal mit viel Glück, manchmal mit Wagemut.

  • 1939 bis 1947: Kriegszeit und Wiederaufbau

    Mit dem Kriegsausbruch im Sommer 1938 bricht bei den Jugendherbergen der Besucheransturm zusammen. Anstatt junge Gäste aus dem Ausland schlafen nun Soldaten im Aktivdienst in den Massenschlägen.

  • 1947 bis 1959: Erholung und Professionalisierung

    Nach dem Krieg erholt sich die Welt langsam wieder und der internationale Austausch wird erneut aufgenommen. Nach dem grossen Wachstum bis 1938 nimmt die Zahl der Jugendherbergen stetig ab.

  • 1960 bis 1970: Aufbruch der Jugend

    Die Sechzigerjahre sind geprägt vom wirtschaftlichen Aufschwung und mehr Freiheit suchender Jugendlicher. Die Jugendherbergen sehen sich erstmals einem Konkurrenzdruck ausgesetzt.

  • 1970 bis 1980: Backpacker*innen entdecken die Schweiz

    Nun können sich auch Junge Fernreisen leisten, alles wird günstiger, fast alle haben genügend Arbeit: Die Welt scheint allen offen zu stehen, vor allem den US-Boys und Canadian Girls.

  • 1980 bis 1990: Erforschung des Jugendtourismus

    Auf der Suche nach Sponsoring treten Imagefragen in den Vordergrund. Gehen die Jugendherbergen noch mit der Zeit und was halten die potenziellen Gäste von ihnen?

  • 1990 bis 1999: Umstrukturierung und Neuausrichtung

    Die Schweizer Jugendherbergen müssen sich in der globalisierten Welt zurechtfinden und sind dem Wettbewerb und neu sensibilisierten Gästen aus aller Welt ausgesetzt. Finanziell wird es eng.

  • 2000 bis 2010: Neupositionierung und Imagekorrektur

    Wer kennt die Schweizer Jugendherbergen nicht? Kaum jemand. Jeder dritte Schweizer, jede dritte Schweizerin weiss, von wem die Rede ist, wenn sie auf die «Jugis» angesprochen werden. Sie sind ein nationales Symbol.

  • 2010 bis 2019: Strategische Nachhaltigkeit

    Ab dem Jahr 2010 ernten die Jugendherbergen Sonne vom Dach. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie der Schweizer Jugendherbergen werden ab dem zweiten Jahrzehnt der 2000er-Jahre zahlreiche Projekte im Bereich erneuerbare Energien umgesetzt.

  • Ab 2020: Pandemiejahre und Neustart

    2020 / 2021 bringt die COVID-19-Pandemie die internationale Reisetätigkeit fast vollständig zum Erliegen. Kontakt-, Schul- und Gruppenreiseverbote innerhalb der Schweiz bringen die Schweizer Jugendherbergen an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit.